Corinaldo, wie aus dem Bilderbuch

Corinaldo ist eine Stadt, deren Struktur von Mittelalter und Renaissance geprägt ist. Ihre Befestigungsmauern zählen zu den schönsten, eindruckvollsten und besterhaltensten der Marken. Das etwa 1 Kilometer lange Festungswerk ist mit umwallten Toren, polygonalen Bollwerken, runden und fünfeckigen Türmen und Wachttürmen durchsetzt. Die heutige Umgrenzungslinie, die aus dem Jahr 1367 datiert ist, wurde zwischen 1484 und 1490 wahrscheinlich nach den Entwürfen des berühmten, aus Siena stammenden Architekten Francesco di
Giorgio Martini erweitert. Diese Mauer ist heute das wichtigste Geschichtsdenkmal der Stadt. Aber auch die Kirchen, Paläste und anderen Bauwerke machen eine Besichtigungstour durch Cornaldo zu einem außergewöhnlichen und interessanten Erlebnis. Ein guter Ausgangspunkt für einen kulturellen Rundgang ist die Porta Nuova (Neues Tor); sie bildet den jüngsten Zugang zum Schloß und wurde während der Erweiterung im fünfzehnten Jahrhundert erbaut. Dieses Tor und der daran anschließende Turm wurden im Jahr 1850, als der Ringweg um die Mauer errichtet wurde, teilweise verschüttet. Hinter dem Tor befindet sich das Theater “Carlo Goldoni”, dessen derzeitige Form aus den Jahren 1861-1869 stammt.
In dem Theater finden etwa 220 Zuschauer Platz; es verfügt über 38 Logen, die in 3 Reihen angeordnet sind, sowie über eine verzierte und bemalte Decke. Wenn wir die Via Teatro entlang gehen, finden wir auf der rechten Seite den Campanile di San Pietro (Peterskirchenturm), der das einzige Überbleibsel der abgerissenen Stiftskirche ist.
Der Turm stammt aus dem Jahr 1574 und wurde zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts umgebaut. Als nächstes sehen wir, ebenfalls auf der linken Seite, das ehmalige Benediktinerinnenkloster St. Anna.

Dieses Kloster, das auf das sechzehnte Jahrhundert zurückgeht, beherbergte in einigen seiner Räume die städtische Kunstsammlung mit über dreißig Gemälden von Künstlern wie Ercole Ramazzani, Giuseppe Bastiani, Claudio Ridolfi, Domenico Peruzzini, Giuseppe Marchesi und anderen Künstlern des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts.
Heute ist das Kloster restaurierungsbedürftig. Darüber hinaus enthält die Sammlung Skulpturen, Altartücher und heilige Gefäße aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert. In der Nähe des Klosters befindet sich die Kirche dell’Addolorata (Schmerzenskirche unserer lieben Frau), die zwischen 1740 und 1755 errichtet wurde.
Diese Kirche mit ihrem zentralen Grundriss und ihrer Kuppel mit Lanterne ist ein ausgezeichnetes Beispiel für den eleganten Stil des Rokoko. Auf dem Chor befindet sich eine wertvolle, aus dem Jahr 1766 stammende Orgel, die von Gaetano Callido gebaut wurde. Die Chiesa del Suffragio (Leidenskirche) dominiert den Platz. Sie wurde 1779
zum Teil auf den alten Bargello-Mauern wieder aufgebaut. Die Kirche mit elliptischen Innengrundriß und Kuppelgewölbe besitzt eine Fassade im neuklassischen Stil; der interessante Boden zeigt ein geometrisches Muster. Die Mutter Gottes und die Heiligen auf dem Altar stammen von Claudio Ridolfi. Wenn wir die Via del Bargello entlang gehen, gelangen wir zu einem Mauerdurchbruch, der zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts hergestellt wurde und zu der Chiesa di San Francesco (Franziskus-Kirche) führt. Die Kirche in ihrer heutigen Form wurde vom Architekten Arcangelo Vici entworfen. Sie geht auf das Jahr 1759 zurück, obwohl sich im Turm viele Spuren des aus dem Jahr 1256 stammenden Originalbauwerks finden. Die Kirche mit ihrem lateinischen, kreuzförmigen Grundriss verfügt über ein Hauptschiff mit kuppelüberdachtem Querschiff und Seitenkappellen. Sie ist mit vielen Gemälden ausgestattet, die alle von Claudio Ridolfi stammen. Unter ihnen befindet sich eine Darstellung der Verkündigung, ein Marienbild mit Jesuskind und Heiligen und eine Darstellung der Mariä-Himmelfahrt. Wenn wir die Kirche verlassen, sehen wir rechter Hand den Sperone, einen mächtigen, fünfeckigen Turm, der etwa 18 m hoch ist, und linker Hand die Porta San Giovanni (Johannestor). Der Turm mit der Porta Maggiore (Haupttor) und dem Nebentor (dem kleinen links) wurde im fünfzehnten Jahrhundert (nach der Erfindung des
Schießpulvers) gebaut, um das innere Spitzbogentor zu schützen, das aus dem vierzehnten Jahrhundert stammt. Dieses Tor mit seiner mit einem Eisenfallgitter versehenen Ausnehmung war die letzte Verteidigungsmöglichkeit gegen Angreifer. Zur Rechten führt ein äußerer Treppenaufgang auf den Söller, vom dem man auf das Tor blicken kann.
Diese Einheit zeichnet sich durch alle typischen Merkmale der Militärarchitektur dieser Zeit aus, wie Schießscharten, Tragsteine, Pechnasen und Schartenbacken.

Wenn wir uns nach links wenden und die Via dello Scorticatore (Schinderstraße) entlanggehen, gelangen wir zum homonomen Wachtturm und einem langen Patrouillenweg, der zur Porta di Santa Maria del Mercato (Tor des Heiligen Maria vom Markt) führt. Dieses Tor ist ein echtes Meisterwerk der Militärarchitektur.
Zum Schutz des inneren Spitzbogenstor, das auf das vierzehnte Jahrhundert zurückgeht, wurde im fünfzehnten Jahrhundert ein riesiger, polygonaler Festungswall mit einem eigenen Zugangstor errichtet, der zu dem Vorherigen in einem rechten Winkel steht.

Der in der Mitte offene Festungswall wurde dazu verwendet, Angreifer gefangenzunehmen, denen es gelungen war, das erste Tor zu überwinden. Auch dieser Turm ist mit vielen Schießscharten, Tragsteinen und Pechnasen ausgestattet. Außerhalb des Tors können wir zur Linken den Ausblick auf die Mauern in Richtung des oben beschriebenen Johannestor genießen. Wenn wir uns wieder in den Bereich innerhalb der Stadtmauer begeben, liegt vor uns die eindrucksvolle Via Piaggia mit ihren 109 Stufen und dem Pozzo della Polenta (Polenta Brunnen). Nun wenden wir uns nach links. Als erstes gelangen wir zu dem Treppenaufgang, der auf den Söller der Porta del Mercato (Markttor) führt, dann zum
Guardiola di Mezzogiorno (Mittags-Wachzimmer), dann zum mächtigen Torre del Calcinaro (Calcinaro-Turm) und schliesslich zum Torre della Rotonda (Rotundenturm), der noch eindrucksvoller und mächtiger ist als der vorhergehende. Diese Türme sind wie die der Porta Nuova rund. Wenn wir uns auf den Söller des Rotundenturms begeben, sehen wir, daß die aus dem fünfzehnten Jahrhundert stammenden Mauern auf alten Mauern aufgesetzt wurden. Der Schnittpunkt befindet sich dort, wo der Fries, der das Ende der Mauerböschug kennzeichnet, plötzlich scharf ansteigt, um sich wieder mit dem anderen, höhergelegenen zu vereinigen. Wenn wir weitergehen, betreten wir die Landroni, eine Reihe kurzer,
unterirdischer Gänge, die in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts errichtet wurden, als erstmals die Errichtung von Gebäuden auf den Mauern gestattet
wurde, da diese nun kein strategischer Ort mehr waren.

Wenn wir die “Landroni” verlassen, biegen wir nach rechts in Via del Corso (Hauptstraße) ein, die von eindrucksvollen, großen Gebäuden gesäumt ist. Am Ende dieser Straße auf der rechten Seite findet sich der Palazzo Comunale (Rathaus), der zwischen 1748 und 1791 nach dem Entwurf des Architekten Francesco Maria Ciaraffoni errichtet wurde. Zu unseren Linken erhebt sich das majestätischen ehemalige Augustinerkloster, das zwischen 1767 und 1780 von dem aus Corinaldo stammenden Architekten Giuseppe Carbonari Geminiani
geplant und in den Jahren 1767 bis 1780 errichtet wurde. Auf der linken Seite des Klosters erhebt sich der hohe Turm der Chiesa di Sant’Agostino (Augustuskirche), das heutige Diözesansanktuarium der Heiligen Maria Goretti. Die Kirche mit ihrer eleganten Ziegelfassade besteht aus einem Hauptschiff mit Seitenkappellen und Querschiff, das von einer Kuppel mit Laterne überdacht wird. In der Kirche befinden sich ein aus dem siebzehnten Jahrhundert stammendes Gemälde, auf dem die Verkündigung dargestellt ist (eine
Kopie des Gemäldes von Barocci), ein Bild des Märtyrertum des Hl. Bartholomäus von Giuseppe Maggieri sowie andere wertvolle Gemälde aus dem achtzehnten
Jh. – der Zeit, in der die Kirche errichtet wurde (1740 – 1756). Zur Linken der Kirche befindet sich die großePiazza del Terreno (Terreno-Platz) mit vielen vornehmen
Bürgerhäusern. Nun gehen wir die “Cento Scale” (hundert Stufen) hinunter. Wir wenden uns nach rechts und betreten die alte Nikolauskirche.